MALEN mit LICHT – Der
Photograph Heinrich KÜHN
Sonderausstellung im Museum im Ballhaus & Städtische Galerie Theodor von Hörmann
15.09. - 12.11.2016
Heinrich Kühn, Mary Warner im Gegenlicht, 1908
Estate of Heinrich Kühn
Eine Sonderausstellung in zwei Häusern am Imster Stadtplatz, der Städtischen Galerie Theodor von Hörmann und dem Museum im Ballhaus, widmet sich der Kunstfotografie um 1900 sowie dem Fotopionier und Kunstfotografen Heinrich Kühn (1866 - 1944), einem Wahltiroler. Kurator der Ausstellung ist der Imster Filmemacher und Regisseur Markus Heltschl.
Um 1900 erlebte die europäische Kultur eine innovative Phase, neue Medien wie Film und Fotografie eroberten das Publikum und wurden schließlich als selbstständige und gleichwertige Kunstsparten anerkannt. Der Tiroler Fotograf Heinrich Kühn (1866 - 1944) ist ein bedeutender Vorläufer der Moderne. Seine Bilder waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf den großen Ausstellungen weltweit zu sehen. Heute gilt Kühn als "einer der großen Fotografen der Kunstgeschichte" (Jeff Wall.) Kühns Werk ist in sehr vielen berühmten Museen auf der ganzen Welt vertreten, etwa im MOMA und Metropolitan Museum in New York, in Houston, Rochester, im Paul Getty Museum Los Angeles, wie auch im Musée d´Orsay, Paris, oder in der Albertina, Wien, oder in einem Dutzend wichtiger deutscher Museen wie das Folkwang in Essen oder das Städel in Frankfurt.
Zur Ausstellung in Imst
Im
Mittelpunkt der vom Imster Markus Heltschl kuratierten Schau steht der Tiroler
Fotopionier Heinrich Kühn (1866 – 1944), der als einer der wichtigsten
Fotografen des 20. Jahrhunderts angesehen wird und mit seinen dem
Impressionismus nahe stehenden Bildern eine zentrale Gründergestalt der
Kunstfotografie um 1900 bildete. Er gilt als einer der vollendetsten Fotografen
dieser Zeit, der Ära der Pictorialisten.
Fotografie als eigenständige Kunst
Gegen
Ende des 19. Jahrhunderts formierten sich neue künstlerische Strömungen, Künstlervereinigungen
abseits der Akademien (wie die Sezession) entstanden, und technische
Weiterentwicklungen hatten die Medien Film und Fotografie populär und auch für
Amateure künstlerisch interessant gemacht. Erklärtes Ziel der Kunstfotografen, der
Pictorialisten, war es nun, die Fotografie als eigenständige und vollwertige
Kunstform zu etablieren.
Pionierarbeit
Der
in Dresden geborene und in Tirol ansässige Heinrich Kühn zählt zu den Pionieren
der internationalen Kunstfotografie. Sein Streben war, eine künstlerische
Vision genauso kreativ und exakt mittels des Mediums Fotografie umzusetzen wie
mit Farbe und Bleistift – also malen mit Licht. Kühn war geradezu prädestiniert
für dieses Genre, er stammte aus wohlhabendem Haus, besaß künstlerisches
Interesse und Verständnis, und wegen seiner naturwissenschaftlichen Ausbildung konnte
er auch mit der komplizierten Drucktechnik umgehen und so die für sich bestmöglichen
Ergebnisse erzielen. Dabei überließ Kühn aber nichts dem Zufall,
Vorzeichnungen, eigens angefertigte Kostüme und lange Beobachtungen des
Sonnenstandes sowie des entsprechenden Schattenwurfs waren Voraussetzungen, um
das angestrebte Gesamtkunstwerk als Lichtbild umzusetzen.
Von der Autochromie
Von
der Erfindung der Farbfotografie war Kühn als Künstler wie auch als
Wissenschaftler fasziniert. Die von den Brüdern Lumière entwickelten und 1907
auf den Markt gebrachten Autochrome-Platten ermöglichten es
erstmals, ein farbiges Diapositiv mit einer einzigen Aufnahme zu erzeugen. Kühn versuchte dank seines technischen Verständnisses
die Methoden dieses auf der Farbrasterung basierenden Verfahrens ständig zu vervollkommnen und mit Licht zu „malen“.
Kühn
erreichte Bewunderung sowohl für seine ausgewogenen Bildkompositionen, den
Nuancenreichtum der Tonwerte als auch für die meisterliche Beherrschung der komplizierten
Technik. Er hat die Autochromie von allen Kunstfotografen am weitesten
getrieben und perfektioniert. Das seinen Bildern eigene Strahlen, ihre
herausragende Leuchtkraft und die außerordentliche Farbqualität machen ihn wohl
zum besten Autochrome-Fotografen der Welt.
Seine
Stimmungslichtbilder sind harmonisch komponiert, schön, atmosphärisch dicht,
sinnlich und geschmackvoll, ganz so, wie es der Impressionismus um 1900
vorgegeben hat, entsprechen die Kompositionen dem Stil und Geschmack der Zeit.
Inszenierung und Drucktechniken
Für
seine „Stimmungslichtbilder“ experimentierte Kühn mit den unterschiedlichsten
Papiersorten und den verschiedensten Druckverfahren, zu denen Bromöl- genauso
wie Platindruck gehörte. Zudem perfektionierte Kühn die Technik des
Gummidrucks, was bislang gänzlich unbekannte künstlerische Effekte ermöglichte:
Details und Konturen verschwinden, die Aufnahmen erscheinen wie gemalte Bilder,
wie impressionistische Gemälde, entstanden durch aufwendige Bildinszenierungen
und ein Wechselspiel von Schärfe und Unschärfe.
Nach dem Ersten Weltkrieg
Kühn,
der gegen Ende des Ersten Weltkriegs verarmt war, musste seine Jugendstilvilla
in Innsbruck verkaufen, zog nach Rietz und schließlich nach Birgitz, wo er bis
zu seinem Tod lebte. Sein Oeuvre beinhaltet neben zahllosen Drucken in den unterschiedlichsten
Techniken auch einige Tausend Negative sowie 350 Autochrome-Platten.
Ausstellung in der Städtischen Galerie Theodor von Hörmann
Die
Ausstellung in der Städtischen Galerie
Theodor von Hörmann gibt Einblick in Kühns herausragendes Oeuvre, wobei
auch bisher noch nie öffentlich ausgestellte Werke aus Privatbesitz gezeigt
werden.
Ausstellung im Museum im Ballhaus
Ergänzt
wird die Sonderausstellung durch exklusive Originalwerke von Freunden und
Zeitgenossen Heinrich Kühns, welche im Museum
im Ballhaus zu sehen sind. Kühn
stand in ständigem Kontakt und Austausch zu Künstlerfreunden und Kollegen,
wobei bisweilen auch enge Freundschaften dokumentiert sind.
Illustre Runde jenseits und diesseits des Atlantiks
Der
einflussreiche US-amerikanische Fotograf und Galerist Alfred Stieglitz (1864 – 1946) stand über Jahrzehnte in engem
Kontakt zu Heinrich Kühn, ihre briefliche Korrespondenz erstreckt sich über 25
Jahre. Er und der legendäre amerikanische Fotograf Edward Steichen (1879 – 1973) besuchten
Kühn 1904 in Tirol, weil sie in ihm den interessantesten und größten
europäischen Pictorialisten der Zeit sahen. Die dabei entstanden Porträtaufnahmen
Kühns sind in der Ausstellung zu sehen. Stieglitz
war Herausgeber der Zeitschrift „Camera Work“ sowie Direktor der „Galerie 291“
in New York, wo er herausragende und innovative Fotografien der Zeit
präsentierte und die Fotografie als eigenständige Kunstform legitimieren
wollte. „Camera Work“ war aufwendig, teilweise von Hand gestaltet und
präsentierte neben den Kunstwerken auch ausführliche Bildbesprechungen. Das
Magazin entwickelte sich bald zu einem wichtigen, oft kontrovers diskutierten
Medium der europäischen und amerikanischen Avantgarde.
Stieglitz war nicht nur durch die Freundschaft mit
Kühn mit Tirol verbunden, zu seinem Freundeskreis zählte auch der Meraner Arzt
Fritz Raab. Stieglitz´ Familienporträts sind ebenfalls Teil der Ausstellung, genauso
wie 3 Originalexemplare der Zeitschrift „Camera Work“.
In der „Camera Work“
wurden natürlich auch Arbeiten der US-amerikanischen Fotografin Gertrude Käsebier (1852 – 1934)
veröffentlicht, die als bedeutendste Vertreterin des Pictorialismus und als
eine der bedeutendsten Fotografinnen der Kunstgeschichte gilt. Sie hat Kühn
einige Bilder gewidmet.
Trifolium (Kleeblatt) und Gummidrucke
Mit den beiden Wiener
Kunstfotografen Hugo Henneberg (1863
– 1918) und Hans Watzek (1848 –
1903) verband Kühn eine enge Freundschaft.
Zu
dritt unternahmen Watzek, Henneberg und Kühn regelmäßig Studienreisen durch
Tirol, aber auch zum Bodensee, an den Gardasee oder an die Nordsee (Katwijk,
Hamburg), um geeignete Motive für ihre malerischen, stimmungsvollen
Landschaftsaufnahmen zu finden. Watzek musste dazu als Lehrer arbeiten, um sich
seinen Lebensunterhalt zu verdienen und sich das kostspieligen Vergnügen der
Amateur-Fotografie leisten zu können. Die
drei arbeiteten als „Trifolium“ (Kleeblatt) zusammen, reisten, diskutierten und
experimentierten. Durch ihre zahlreichen Versuche mit der Technik des
Gummidruckes entwickelten sie den dreifarbigen Gummidruck.
Als künstlerisch besonders wertvoll gelten die um 1900 entstandenen
Gummidrucke des französischen Fotografen Robert Demachy (1859 – 1936), der vor allem für seine Akte und
Landschaftsbilder bekannt ist, aber auch allgemein für Menschendarstellungen,
wie die Balletttänzerinnen. Typisch sind dramatisches Licht, starke Schatten
und verschwommene Übergänge zwischen Person und Umgebung. Demachy setzte sich
auch mit der Bedeutung der Fotografie als Kunstform auseinander und schrieb
zahlreiche Artikel und einige Bücher dazu.
Auch der deutsche Maler, Kunstfotograf und
Publizist Fritz Matthies-Masuren (1873 – 1938) veröffentlichte zahlreiche Fachtexte in
Zeitschriften und Büchern. Er war Herausgeber der wichtigsten fotografischen
Zeitschriften in Deutschland, des „Photographischen Cetralblatts“ und der
„Photographischen Rundschau“. Er setzte sich vor allem für die Technik des
Gummidrucks als künstlerisch wertvolle und technisch anspruchsvolle Methode ein
und somit für das „Trifolium“ (Kühn, Watzek, Henneberg), das ja speziell mit
dieser Drucktechnik neue Wege beschritt. 1898 organisierte Matthies-Masuren die
1. Internationale Elite-Ausstellung künstlerischer Photographie in den Räumen
der Münchner Seccession, bei der das „Kleeblatt“ die meisten der gezeigten Werke stellte. Offensichtlich ist
Matthies-Masurens Bewunderung für Kühn, den er als den großen europäischen
Kunstfotografen ansah, der die Fotografie am weitesten vorangetrieben hat, und
den er durch seine Publikationen und Ausstellungen auch entsprechend förderte.
Ein von Matthies-Masuren 1902 im renommierten Wilhelm Knapp Verlag in Halle herausgegebener
Prachtband über Gummidrucke von Kühn, Watzek und Henneberg erschien in einer
Auflage von nur 100 Stück. Das Werk, ausgestattet mit knapp 50 echten
Photogravuren, zählt heute zu den wertvollsten Kunstfotografiebüchern
überhaupt.
Reger Kontakt und Austausch
Kühn tauschte sich mit zahlreichen Kunstfotografen der Zeit aus und
unterhielt zu vielen regen Kontakt. Bei München kam es 1907 zu einem Treffen
von vier einflussreichen Fotografen des Fin de Siécle, das sich nachhaltig vor
allem auf Kühns weitere Arbeit auswirken sollte: Die beiden legendären
amerikanischen Fotografen Alfred Stieglitz und Edward Steichen hatten 1907 in
Paris, bei der Präsentation des Patents, erste Autochrome-Platten der Brüder
Lumière gekauft und fuhren damit nach Tutzing am Starnberger See, wo sie mit Frank Eugene (1865 – 1936) und Heinrich
Kühn die neue Farbtechnik ausprobierten.
Von diesen ersten Versuchen 1907 (und 1909) haben sich fast keine Originale
erhalten. Einige der ganz wenigen erhaltenen Abzüge sind in der Ausstellung zu
sehen, wobei die Urheberschaft der einzelnen Bilder, ob sie nun von Stieglitz
oder von Eugene stammen, nicht geklärt ist.
Dem in den USA geborenen, aber in München ansässigen Fotografen, Maler und
Radierer Frank Eugene wurde von Kritikern oft seine technische Nachbearbeitung
der Negative vorgehalten. International bekannt wurde er aber durch diese in
der „Camera Work“
veröffentlichten sinnlichen, am romantisierend-malerischen Stil orientierten Heliogravuren.
Eugene lehrte ab 1907 an der Lehr- und
Versuchsanstalt für Fotografie in München und hielt Vorträge über die
pictorialistische Fotografie. 1913 wurde an der der Akademie für Grafische
Künste und Buchgewerbe in Leipzig der weltweit erste Lehrstuhl für
künstlerische Fotografie eigens für Eugene geschaffen.
Kühns inszenierte Idylle - Zilles Soziographie
Kühn sollte die Technik der Autochromie, wie schon angesprochen,
meisterlich ausreizen. Während Kühns
Bilder eine „schöne heile Welt“ darstellen, geprägt durch Kühns
bürgerlich-wohlhabenden Hintergrund, nimmt der deutsche Grafiker, Maler
und Fotograf Heinrich Zille (1858 – 1929) eine Gegenposition
zu Kühn ein. Er stellte auch Szenen aus dem Berliner Volksleben und der
proletarischen Unterschicht dar, durchaus mit einer Portion Sozialkritik.
Der schottischen Fotopionier James Craig Annan (1864 – 1946) widmete Kühn genauso Bilder wie der englische
Pictorialist George Davison (1854/55
– 1930). Werke der Schotten Hill &
Adamson (Maler David Octavius Hill, 1802 –1870, und Wissenschaftler Robert
Adamson, 1821 –1848), der Deutschen Minya
Diez-Dührkoop (1873 – 1929), des tschechisch-amerikanischen Fotografen Drahomír
Josef Růžička (1870 – 1960) sowie von
Paul Strand (1890 – 1976),einem der
einflussreichsten amerikanischen Fotografen des 20. Jahrhunderts, für den Kühn
Bewunderung empfand, ergänzen die Ausstellung.
Ergänzend zeigt das Museum im Ballhaus eine Kurzfassung des Films „Das bedrohte Paradies. Der Photograph Heinrich Kühn“ (ca. 25 min.), eine gekürzte Version des Originalfilms von 2015 (86 min.) von Markus Heltschl.
Die DVD ist im Shop erhältlich.
ÖFFNUNGSZEITEN:
Städtische Galerie Theodor von Hörmann und Museum im Ballhaus
Dienstag, Donnerstag, Freitag, Samstag 14 - 18 Uhr
Eintritt € 3,- (Kombiticket)
RAHMENPROGRAMM:
Freitag, 14.10., 19 Uhr
Vortrag von Dr. Diether Schönitzer
Museum im Ballhaus
Freitag, 21.10., 16 Uhr
Führung durch beide Ausstellungen mit Dr. Diether Schönitzer
Treffpunkt Hörmann-Galerie
Freitag, 11.11., 16 Uhr
Führung durch beide Ausstellungen mit Dr. Diether Schönitzer
Treffpunkt Hörmann-Galerie
Teilnahme an den Veranstaltungen kostenlos!
Gefördert von: