MiB 2014 - Tiroler Musikleben in der NS-Zeit

Tiroler Musikleben in der NS-Zeit

Ausstellung vom 3. Mai - 3. August 2014

 

HJ, SA, SS und Wehrmacht hatten ihre Märsche, Marschlieder und Marschmusikkapellen; neben ihnen beteiligten sich auch DAF, Reichsarbeitsdienst und die vielen anderen Organisationen, mit denen die Nationalsozialisten die Freizeit verstaatlichten, am totalen Platzkonzert des Dritten Reichs, nicht zu vergessen die fortexistierenden "privaten" Volksmusikkapellen - man zählte 1939 weit über zehntausend solcher privaten Vereine, davon zehn Prozent Werkskapellen. "Kraft durch Freude" hieß also Kraft durch Beat - der Marsch führte die Massen von der Freizeit direkt in den Vernichtungskrieg.
Gerhard Scheit

 

Vernissage: Freitag, 2. Mai 2014, 20 Uhr

Begrüßung: Bürgermeister LA Stefan Weirather
Grußworte des Landes: Dr. Benedikt Erhard, Abteilung Kultur
Zur Ausstellung sprechen: Dr. Kurt Drexel, Matthias Breit
Musik: Anna Wiedauer und Philipp Ossanna
Anschließend Kuratorenführung

 

Detailansicht der Ausstellung
Ausstellungsansicht

 

Geschönt, umgeschwindelt, verfälscht: Verstrickungen in den Nationalsozialismus werden in den Biographien der „Säulenheiligen“ der Musik in Tirol nach wie vor gerne verschwiegen. Anlässlich der Diskussionen über den Komponisten Josef Eduard Ploner (1894 - 1955) beschäftigten sich MusikwissenschaftlerInnen und HistorikerInnen mit dem Tiroler Musikleben in der NS-Zeit sowie mit dem Umgang der Fachwissenschaft und der Öffentlichkeit mit diesem Thema nach 1945. Zahlreiche Ergebnisse sind in der Ausstellung „Tiroler Musikleben in der NS-Zeit“ präsentiert. 

Beleuchtet werden die Musik im Ständestaat, die zunehmende Faschisierung der Gesellschaft, die Neuorganisation des Musiklebens mit dem „Anschluss“ im März 1938 sowie die Folgen und Nachwirkungen. Die Ausstellung entstand 2012 im Rahmen einer Fachtagung in Innsbruck und wurde für die Präsentation in Imst aktualisiert. 

 

 Standschützenmarsch von Sepp tanzer, gauleiter Hofer gewidmet
Sepp Tanzer - Standschützenmarsch - Widmung Gauleiter Hofer

  

musikleben
Die Ausstellung thematisiert anhand ausgewählter Objekte das Tiroler Musikleben in der NS-Zeit – mit dessen Vorgeschichte im Ständestaat und seinen Nachwirkungen 1945ff.

rundgang
Die Ausstellung ist als Rundgang konzipiert: Ausgangs- und Endpunkt ist die Gegenwart, in der wir mit dem Fortwirken, mit geschönten Biografien und mit einer »vergesslichen « Musikgeschichte konfrontiert sind.

anschluss
Mit dem Anschluss im März 1938 beginnt die Umformung des Musiklebens im Sinne des Nationalsozialismus. Fortan wird Im gleichen Schritt und Tritt marschiert – der Musikbetrieb dient dazu, alle musikalischen Aktivitäten der Propaganda für die Partei, das NS-Regime und den Führer dienstbar zu machen.

neuausrichtung
Tiroler Komponisten begrüßen den Anschluss begeistert und veröffentlichen programmatische Schriften zur Neuausrichtung des musikalischen Lebens nach der »Säuberung« durch »Abwanderung und Flucht«, so die zynische Diktion.

tirolertum
Der Gauleiter Franz Hofer fördert insbesondere die »Volkskultur«: das katholisch geprägte Tiroler Brauchtum soll entkonfessionalisiert und mit nationalsozialistischen Inhalten gefüllt werden. Alle Brauchtumsvereine, auch die Musikkapellen, werden in den Standschützenverband eingegliedert – als dessen Musikreferent Sepp Tanzer tätig ist.

blasmusik
Die Blasmusik nimmt ebenso einen Aufschwung wie andere volkskulturelle Bereiche. Das traditionelle alljährliche Landesschießen wird zu der zentralen Propagandaveranstaltung im Gau Tirol-Vorarlberg. Zu dieser mehrtägigen Veranstaltung mit Aufmärschen, Ausstellungen, Musik und Volkstanz liefern führende Tiroler Komponisten beispielhafte NS-Feiermusiken.

säulenheilige
Nach 1945 bleiben Persönlichkeiten des Tiroler NS-Musiklebens in führenden Positionen. Musikalische Werke aus der NS-Zeit, die als funktionale NS-Feiermusiken komponiert wurden, finden sich weiter im Repertoire und werden vielfach neu aufgelegt, ohne dass ihr Kontext auch nur ansatzweise Erwähnung findet.

 

 Anschlusslied 1938 von Jakob Kopp und Leo Eiter
Jakob Kopp/ Leo Eiter: Anschlusslied 1938

Datei herunterladen: TXTAnschlusslied von Jakob Kopp und Leo Eiter interpretiert von Philipp Ossanna und Matthias Leger

  

DonnerstagProgramm
Rahmenprogramm zur Sonderausstellung

Hörabend
Donnerstag, 15.5.2014, 20 Uhr
Musik und Widerstand

Diskussion
Donnerstag, 5.6.2014, 20 Uhr
Erinnerungskultur

Filmabend
Donnerstag, 3.7.2014, 20 Uhr
Blasmusik auf Bestellung - Musik und Politik in Tirol

Buchpräsentation
Donnerstag, 31.7.2014, 20 Uhr
"Klingendes Bekenntnis zu Führer und Reich - Musik und Identität im Reichsgau Tirol - Vorarlberg 1938 - 1945"
mit dem Autor Kurt Drexel

 


 

Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag, Freitag 14 - 18 Uhr
Samstag 9 - 12 Uhr
jeder 1. Sonntag: 14 - 18 Uhr (4.5., 1.6., 6.7., 3.8. 2014)
sowie jederzeit nach Vereinbarung; Kontakt: 05412/64 927; ballhaus.imst@cni.at
(Feiertage geschlossen)

 


 

Die Ausstellung „Tiroler Musikleben in der NS-Zeit“, zusammengestellt von Irmi Breit, Matthias Breit, Franz Gratl und Kurt Drexel, wurde erstmals vom 23. November 2012 bis zum 13. Jänner 2013 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum gezeigt. Für die Präsentation im Museum im Ballhaus wurden die Objekte adaptiert und aktualisiert.

„Wie die Nazis alpines Brauchtum für ihre Zwecke benutzten, will niemand so genau wissen – zu groß war die Kontinuität.

Brauchtum soll Heimat vermitteln, ein bodenständiges Österreich-Bild prägen. Es ist das Selbstverständnis, das die Zweite Republik dominierte: ein auf Traditionen ruhendes, unbeflecktes Alpenidyll. Tausende Fernsehstunden wurden gefüllt mit den Klischees von Naturverbundenheit, mit Trachtenromantik und adretter Dirndlmode. Bis heute wird die Brauchtumspflege überall im politischen Alltag instrumentalisiert. Kein Nationalfeiertag vergeht ohne Schützenaufmarsch, kaum ein Wahlkampfauftritt kommt ohne Blasmusik aus. Von Heimatstolz und Vaterlandsliebe ist es allerdings nicht weit zu Blut und Boden. Daher waren auch für die Nationalsozialisten Brauchtumsveranstaltungen ein willkommenes Mittel der Propaganda. Die Leitmotive ließen sich einfach umfunktionieren: An die Stelle von Gott trat der Führer, und statt Steirer- oder Tirolertum wurden die arischen Tugenden beschworen.

Die Rolle des Brauchtums und die Umdeutung der Tradition im Sinne des NS-Staates sind nur wenig erforscht. Viele der führenden Protagonisten von damals wirkten noch lange nach 1945 weiter.“
DIE ZEIT, 29.11.2012

 http://www.zeit.de/2012/49/Tiroler-Musikleben-Nationalsozialismus-Ausstellung-Innsbruck

 


 

 

Im Rahmen der Sonderausstellung

Tiroler Musikleben in der NS-Zeit

DonnerstagProgramm: Filmabend
Blasmusik auf Bestellung - Musik und Politik in Tirol

Donnerstag, 3.7.2014, 20 Uhr
Eintritt frei

 

Filmstill, Landesschießen 1939

 

 

Die so genannte »Brauchtumspflege« war 1938 bis 1945 im Gau Tirol-Vorarlberg (1943 im Süden erweitert um die Operationszone Alpenvorland) die zentrale Grundlage für die Solidarisierung und Identifizierung mit dem NS-Regime: Volkskultur hat und wurde politisiert, militarisiert und propagandistisch funktionalisiert. Die Parteispitzen der NSDAP haben daher bereits am 26. September 1938 die Zusammenfassung aller Schützenabteilungen, Brauchtumsgruppen und -vereine zum »Standschützenverband Tirol-Vorarlberg« eingeleitet. Damit war eine in der lokalen Tradition tief verankerte NS-Massenorganisation geschaffen worden, die auf 100.000 Mitglieder zurückgreifen konnte.

1945 schreibt der NS-Musikfunktionär Sepp Tanzer – er arbeitete dem Regime zu als Komponist, als Musikreferent des Tiroler Standschützenverbandes und als Leiter der Fachschaft Volksmusik im Propagandaministerium von Joseph Goebbels – über die Bedeutung der Blasmusik im Gau Tirol-Vorarlberg:
»Der Wehrwillen und die Wehrhaftigkeit unserer Heimat drücken sich nicht nur in der Waffenbeherrschung und im Schießwesen aus, sondern auch in der Pflege der Blasmusik. Seit dem Mittelalter hat sich die Blasmusik im Rahmen der Wehrhaftigkeit langsam zu jener heldisch tönenden Harmonie entwickelt, wie sie in den klangvollen Kapellen der heutigen Zeit Ausdruck findet [...] Von den etwa 6000 Blaskapellen des Großdeutschen Reiches befinden sich ungefähr 1250, das ist über ein Fünftel, allein in den Alpen- und Donaugauen. Davon entfallen auf unseren Gau ungefähr ein Viertel; und somit steht der Gau Tirol-Vorarlberg mit über 300 Kapellen an der Spitze aller Gaue.«
(Sepp Tanzer,  »Der Aufbau der Standschützenkapellen«, in: Alpenheimat

1945. Familienkalender für Stadt und Land, Innsbruck 1945)

Wie mit dem massiven Anteil des Brauchtums an der sozialen Praxis des Nazismus in Tirol heute umgegangen werden kann, wird im Anschluss an drei Propagandafilme über das Landesschießen 1939/42/43 Thema der Diskussion sein.

 

 


DonnerstagProgramm:
Donnerstag, 5.6.2014, 20 Uhr
Diskussion

 

Erinnerungskultur in Tirol?
Eintritt frei! 

Filmstill, Tiroler LandesschießenIm Rahmen der Sonderausstellung „Tiroler Musikleben in der NS-Zeit“ findet ein Diskussionsabend zum Thema „Erinnerungskultur in Tirol?“ statt.

Stellungnahmen bedeutender Persönlichkeiten (u.a. von Bischof Manfred Scheuer oder Elfriede Jelinek) dienen als Grundlage für eine Diskussion, zu der jeder herzlich  eingeladen ist!

Ist der „landesübliche Empfang“ noch zeitgemäß? Soll der „Tiroler Standschützenmarsch“ aus dem Repertoire der Tiroler Blasmusikkapellen verschwinden? Oder darf der „Gauleiter Hofer in Dankbarkeit“ gewidmete Marsch weiterhin kommentarlos gespielt werden? Hat die NS-Ideologie überhaupt Spuren im Tiroler Brauchtum hinterlassen?

Viel wurde über diese Themen bereits diskutiert in den letzten Monaten. Seit die Musikeditionen über Josef Eduard Ploner und andere Komponisten als  „Klingende Kostbarkeiten aus Tirol“ veröffentlicht worden sind (bekanntlich war darin deren NS-Vergangenheit einfach verschwiegen worden), ist viel in Bewegung gekommen.

Dass Musik und Brauchtum von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke missbraucht worden sind, wollte scheinbar jahrzehntelang  niemand so genau wissen, gab und gibt es doch viele Kontinuitäten.

Die Ausstellung „Tiroler Musikleben in der NS-Zeit“ von Franz Gratl, Kurt Drexel, Matthias und Irmi Breit, derzeit im Imster Ballhaus zu sehen, wurde im Winter 2012/13 im Tiroler Landesmuseum  präsentiert und gab Einblick in ganz aktuelle Forschungen – und sorgte für Gesprächsstoff. Dass noch einiges aufzuarbeiten ist, zeigte ein vom Land Tirol in Auftrag gegebenes Gutachten zum Thema „Tiroler Volkskultur“. Darauf kam es zu einem Förderschwerpunkt unter dem Motto „Erinnerungskultur in Tirol“.

Doch wie schaut es eigentlich aus mit dieser „Erinnerungskultur“ in Tirol? Wollen wir überhaupt „erinnert“ werden?
Soll man das Vergangene ruhen lassen, oder ist es unsere Aufgabe, das Verschwiegene hervorzuholen, um eine Aufarbeitung zu ermöglichen?

„ Es wäre fatal, wenn im Schweigen und in der Ratlosigkeit die Sieger von gestern heute noch einmal triumphieren würden.“
Bischof Manfred Scheuer, Mai 2014

 


 

 

DonnerstagProgramm:
Donnerstag, 15.5.2014, 20 Uhr
Hörabend

Musik und Widerstand: Peter Zwetkoff und Bert Breit
Ein Hörabend im Museum im Ballhaus
Eintritt frei

Das Museum im Ballhaus (mit der Sonderausstellung „Tiroler Musikleben in der NS-Zeit)  ist an diesem Abend bis 20 Uhr geöffnet! (Museumseintritt € 3,-)

  

Peter Zwetkoff und Bert Breit, Foto: Breit 

 

Am Donnerstag, 15. Mai um 20 Uhr findet im Rahmen der Ausstellung »Tiroler Musikleben in der NS-Zeit« ein Hörabend statt. Zu hören sind drei Kompositionen von Peter Zwetkoff und Bert Breit. Beide Komponisten waren als Jugendliche Gegner des NS-Systems. Erst nach Jahrzehnten haben sie versucht, mit musikalischen Mitteln Stellung zum NS-System zu nehmen.

Peter Zwetkoff (1925–2012)

1940, 1943 und 1944 war Zwetkoff in Hall mehrmals von der Gestapo verhaftet und misshandelt worden – er hatte als Schüler Flugblätter des Widerstands nach Wien transportiert und dort verteilt. Aber auch an seiner Schule, dem Haller Gymnasium, hat Zwetkoff seine Ablehnung des Nationalsozialismus in einem Schulaufsatz zum Ausdruck gebracht. Der damalige Direktor denunzierte Zwetkoff bei der Geheimen Staatspolizei und so wurde er in der Folge nicht zur Matura zugelassen. Unmittelbar nach der Befreiung im Mai 1945 half Peter Zwetkoff den Amerikanern dabei, die Leichen von neun im "Arbeitserziehungslager Reichenau" hingerichteten NS-Opfern am Nordrand des Haller Friedhofs zu exhumieren.

In einem Interview hat Peter Zwetkoff seinen Zugang zur Musik einmal so erklärt: »Mich hat das absolute Komponieren immer weniger interessiert. Als ich studierte, habe ich gesehen wie wir alle schrieben, wie wir schrieben. Und sah wie viel geschrieben war, das nie, damals nie gespielt wurde. Und dann sah ich wie viel Sonatensätze wir noch schrieben, als Musikstudenten. Und wissend, dass die Haydn-Violinsonaten nie gespielt werden, dachte ich, bist du verrückt, qualitativ unmöglich da irgendwie in die Nähe zu kommen. Es war ja auch nicht meine Absicht. Aber auch von der Wichtigkeit war ich nicht überzeugt, nicht überzeugt, dass ich das machen muss. Es gab natürlich viele Kollegen, die weiter genau so ihren Weg gingen – jetzt machen wir Sonaten, da versuchen wir eine Symphonie – die dann diesen vielleicht rollenden Weg gingen, wo wenig Steine da sind. Und ich hatte das Glück, dass ich diese Steine ziemlich bald bemerkt habe und mir der Gefühlsüberschwang als zu wenig übereinstimmend mit der Wirklichkeit erschien, wie er umschlug in melodische Wohltuerei oder auch, wenn es einmal gelungen war, in Schönheit. Aber was sagt die schon.«

Zwetkoffs Musik entzieht sich dem Konzert- und Musikbetrieb. Sie hat kein Aufführungs-, sondern ein Sendedatum, seine Instrumente können Tannenzapfen, Kämme, Sägen oder Scheren sein, seine Kompositionen dauern oft nur Sekunden. Der Schlagzeuger Horst Friedel, er hat oft mit Zwetkoff gearbeitet, charakterisierte Zwetkoffs Kunst, sein Hörspiel-Musik dem rein Illustrativen, dem Erzählenden zu entziehen, einmal so: »Für mich liegt sein Stil, sein unnachahmlicher Stil darin, dass er gewisse Zustände ins Musikalische übertragen kann. Zustände, über die viele Komponisten ganz banal hinweggehen: Ein Mensch hat so dargestellt zu werden, ein Schritt auf Kies so … man hört einfach nur narrative Umsetzung. Er aber kann es abstrakt umsetzen. Man hört dann die Musik und sagt, eigentlich ist es das – und doch benennt er den Gegenstand nicht, sondern seine Auswirkungen, seine Ausstrahlung, seine Farbe.«

Bereits 1955 hat Peter Zwetkoff den wichtigsten deutschen Hörspielmusik-Preis, den Karl-Sczuka-Preis erhalten. In der Folge wurde er insgesamt sechsmal mit internationalen Preisen für Radiokompositionen ausgezeichnet. 2011 erhielt er das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

 

Bert Breit (1927–2004)

Bert Breit war Schüler des mehrfach als NS-Gegner verhafteten Innsbrucker Lehrers Franz Mair. In einer Art Privatunterricht spielte Mair seinen Schülern verbotene Musik vor und sorgte gegen Kriegsende dafür, dass sie durch professionelle Selbstverstümmelung nicht mehr an die Front mussten. Bei der großen Verhaftungswelle in Innsbruck Ende April 1945 wurde auch Bert Breit ausfindig gemacht und, so wie Peter Zwetkoff, im Arbeitserziehungslager Reichenau inhaftiert.

Beide Komponisten haben erst nach Jahrzehnten versucht, mit musikalischen Mitteln Stellung zum NS-System zu nehmen.

Drei dieser Werke sind am 15. Mai in Imst zu hören.

 

»Umschlagplatz« Von Peter Zwetkoff. Komposition für Klarinette, Tuba, Violine, Kontrabass, Schlagzeug (1993)
Produktion: SWF

Peter Zwetkoff: »Der Umschlagplatz (Verfrachtung von täglich 10.000 Menschen in fünfzig Güterwaggons) soll weder die Todesgleise der Warschauer Juden abbilden, noch will er realistisch etwas widerspiegeln oder illustrieren. Für die Dauer des Stückes eine Auszeit von realkapitalistischem Denken zu nehmen wäre der Wunsch.«

Der von den Deutschen »Umschlagplatz« genannte Platz in Warschau war während des Holocausts der Ort im Warschauer Ghetto, an dem die Juden für die Deportation zumeist ins Vernichtungslager Treblinka versammelt bzw. zusammengetrieben wurden. Er war der Vorplatz des Güterbahnhofs am Danziger Bahnhofs, bestehend aus Gleisen mit Güterschuppen, Lagerflächen und diversen Entladegleisen. Am 22. Juli 1942 begannen die deutschen Besatzer die Juden Warschaus dicht gedrängt in Güterwaggons abzutransportieren. An manchen Tagen wurden 7000 Juden deportiert und insgesamt rund 265.000 in die Gaskammern gebracht. Einige Quellen beschreiben es als den größten Massenmord in einer einzelnen Gemeinde im Zweiten Weltkrieg.

 

 »Das Karussell« Radiophonie von Hannes Stütz und Bert Breit (1967) 
Produktion: ORF Landesstudio Tirol

 "Guten Abend meine Damen und Herren. Sie hören nun Das Karussell, einen Staatsstreich in mehreren Akten von Bert Breit und Hannes Stütz. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen ist rein zufällig. Alle Rechte, auch das der auszugsweisen Wiedergabe, sind frei – Sonderstreiche und Extraputsche eingeschlossen."

So beginnt eine Produktion des ORF Landesstudios Tirol aus dem Jahr 1967. An den für die damaligen Verhältnisse aufwendigen Aufnahmen beteiligt waren Mitglieder des Kammerchors Walther von der Vogelweide, Musiker des Innsbrucker Symphonieorchesters und ein großer Sprechchor. Aber auch die beteiligten Tontechniker hatten großen Anteil an der Realisation dieser "Radiophonie", denn das Hörstück war in Komposition und Instrumentierung ganz auf die Rundfunktechnik Ende der 60er Jahre ausgerichtet.

Die Songs, Massen- und Spielszenen, Jazz, gesungene Aktienkurse, Agitprop – verbunden durch eine lose Handlung – thematisieren, wie autoritäre Herrschaft zustande kommt. In einer Montage, die alle Formen politischer Propaganda – von der Presseaussendung bis zur feierlichen Ansprache – miteinbezieht, führt der Text von Hannes Stütz alle Spielarten des politischen Diskurses in Krisenzeiten vor. Wie gerade in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs immer wieder Zusammenhänge, Verantwortung und Interessen verschleiert werden und "einfachste" Lösungen durchgesetzt werden, das erinnert an ein Karussell …